Mit der Senkung des Steuerfusses wurde in Küsnacht schon an der letzten Budgetverhandlung geliebäugelt. Schliesslich waren die Abschlüsse stets gut, nächstes Jahr beträgt die Einzahlung in den kantonalen Finanzausgleich über 100 Millionen Franken. Jetzt macht der Gemeinderat Nägel mit Köpfen: Er hat die Senkung um zwei Steuerpunkte auf die nächste Gemeindeversammlung hin beantragt. Mit dem neuen Steuerfuss von 75 Prozent läge Küsnacht im kantonalen Vergleich dann an drittvorderster Stelle der tiefsten Steuergemeinden. Als Folge müsste bei den Investitionen gespart werden, der Bau der geplanten Dreifachturnhalle würde sich verzögern.
«Davon haben die Bürger nichts»
«In den vergangenen Jahren ging der rekordmässige Überschuss von Küsnacht immer in den Finanzausgleich», sagt Valery Forster, Vizepräsidentin der SVP Küsnacht, «davon haben die Bürgerinnen und Bürger nichts.» Daher unterstütze ihre Partei den Beschluss des Gemeinderates, «allerdings nur unter der Prämisse, dass man den tieferen Steuersatz mindestens für die nächsten vier bis fünf Jahren halten kann». Auch die CVP Erlenbach-Küsnacht spricht sich auf Anfrage für die geplante Senkung aus. «Küsnacht würde sich steuerlich wieder den Seegemeinden Kilchberg mit 72 und Rüschlikon mit 73 Prozenten annähern», so Vorstandsmitglied Peter Klauser. Zudem sei ein weiterer Anstieg des heute schon sehr hohen Eigenkapitals der Gemeinde nicht wünschenswert. «Keine Steuern auf Vorrat eintreiben», lautet das Fazit der FDP. Präsident Thomas G. Albert: «Ein um 2 Punkte tieferer Steuerfuss ist eine Folge der hohen Steuereinnahmen. Es ist dem Gemeinderat hoch anzurechnen, dass er diese Steuersenkung selbst vorschlägt.» Auch die EVP hält die Steuersenkung für «nachvollziehbar». «Es zeigt», so Präsident André Tapernoux, «dass in Küsnacht vieles richtig gemacht worden ist.»
«Zu drastische Sparübungen»
Ganz anderes tönt es von links: Für «nicht redlich» halten die Grünen die geplante Senkung. Präsident Jörg Stüdeli: «Erst kürzlich ist es mit den Sparübungen von ‹Lean 18› zu drastischen Eingriffen gekommen, so beispielsweise bei der Erhöhung der Heimtaxen im Alters- und Gesundheitszentrum Wangensbach und in der Tägerhalde.» Auch die SP lehnt die Steuersenkung ab. Einerseits, so Co-Präsidentin Lucia Hegglin, ebenfalls weil schon mit dem Sparprogramm «Lean 18» wesentliche Leistungen abgebaut worden seien. «Aber auch, weil Küsnacht mit kluger Zurückhaltung in der Vergangenheit vermieden hat, Spitzenreiter im Steuerwettbewerb zu sein.» Die Botschaft an die finanziell weniger Dotierten wäre jetzt, dass sich die Reichen die Steuern noch weiter senken würden, so die Co-Präsidentin.
Dreifachturnhalle im Fokus
Kritisch gibt sich schliesslich auch die GLP. Notwendige Investitionen seien bereits mit dem jüngsten Sparprogramm in den Bereichen Schule, Kinderbetreuung, Kultur und Freizeit kontinuierlich abgebaut worden. «Für die GLP kommt die Steuersenkung zum falschen Zeitpunkt», so GLPPräsident Küsnacht-Zollikon, Philippe Guldin, «wir befinden uns in einem stabilen konjunkturellen Umfeld – wenigstens zu diesem Zeitpunkt noch –, deshalb sollte Küsnacht eine Vorreiterrolle übernehmen und die notwendigen Investitionen tätigen.» Dabei sei die Dreifachturnhalle «nur ein Beispiel von zahlreichen Sparmassnahmen, die die Bevölkerung direkt treffen würde», so Guldin weiter. Tatsächlich soll laut Finanzvorstand Martin Schneider (SVP) mit dem Bau der Dreifachturnhalle zugewartet werden. Auf diese haben die Küsnachter Vereine schon lange gewartet und die Schule Itschnach soll Bedarf angemeldet haben. Priorisiert wird die werterhaltende Sanierung der Kunsteisbahn KEK. Der Gemeinderat anerkenne den Bedarf für die Halle grundsätzlich, so Schneider. «Allerdings kann die Gemeinde, auch aufgrund der Abschöpfung des Finanzausgleichs, nicht jeden Wunsch der Vereine sofort realisieren.» Der Bau der Turnhalle sei nicht aufgehoben, verspricht der Finanzvorstand, sondern nur auf die kommende Finanzplanperiode verschoben. «Laut Machbarkeitsstudie rechnen wir für die Halle mit Kosten von rund 15 Millionen Franken. Sie ist in der Investitionsplanung für die Periode 2024 bis 2028 vorgesehen.» Zudem mache es generell Sinn, nicht zu viele grosse Investitionen aufs Mal zu tätigen. Schliesslich müssten diese dann auch über den gleichen Zeitraum abgeschrieben und zu einem ähnlichen Zeitpunkt saniert werden. Aktuell kämen etwa das Feuerwehrgebäude und die SBB-Personenunterführung dazu, erst gerade erstellt worden sind das Goldbach-Schulhaus und das Betreuungshaus Dorf. Beim Wettbewerb um die tiefsten Steuern im Kanton wolle Küsnacht ganz und gar nicht mitspielen, so Finanzvorstand Schneider weiter. In erster Linie soll die Senkung über längere Zeit gehalten werden können. «Aber Küsnacht will steuerlich attraktiv bleiben», sagt Schneider, «von guten Steuerzahlern profitieren schliesslich alle Einwohner.» Die Gemeindeversammlung soll im Dezember das letzte Wort haben. Auf Anfrage wird sich die Rechnungsprüfungskommission (RPK) voraussichtlich hinter den Vorschlag des Gemeinderates stellen.